Zweiter Tag auf dem Weg – 26 km von Rates nach Portela de Tamel.
Die erste Nacht in der Herberge war anstrengend. Unsere Gruppe teilte sich ein 10-er Zimmer mit zwei weiteren Mädels aus Köln. Es war mit vier Stockbetten und zwei normalen Betten ausgestattet. Das Schnarchen einer meiner Wanderfreunde hätte man noch zwei Zimmer weiter hören können und auch eine der Kölner Mädels gab ab und zu einige beachtliche Schnarchlaute von sich. Ich lag in einem der Stockbetten oben und wenn sich mein Kamerad unter mir oder einer der anderen beiden im angrenzenden Bett umdrehte, wackelten beide Gestelle, zudem klebte man auf der Gummimatratze fest, das Betttuch rutschte immer nach oben und sobald sich jemand bewegte gab es knarzende unangenehme Geräusche.
Es war mir nicht möglich durchzuschlafen, immer wenn ich aufwachte war ein Arm eingeschlafen und mein Hals steif. Ich bin es auch nicht mehr gewohnt alleine zu schlafen und mein Pinguin Uwe musste meinen Freund ersetzen, doch der arme Uwe segelte Nachts auch noch aus dem Bett und musste wagemutig von René der im Einzelbett in der Mitte des Raumes lag, wieder nach oben gerettet werden. 😀
Ich weiß nicht wie oft und wie lange ich die Nacht über wach lag, aber um 4 Uhr starrte ich an die Decke, versuchte mit den Klängen von Elton John auf meinen Kopfhörern leider erfolglos die Schlafgeräusche um mich herum zu übertönen und überlegte ob es sich überhaupt lohnte, für die letzten anderthalb Stunden vor dem Aufstehen die Augen noch einmal zu schließen.
Es stellte sich heraus, dass es René genauso ging. Via WhatsApp kommunizierten wir in aller Stille um die anderen nicht zu wecken und entschieden uns dann schließlich aufzustehen und uns reisefertig zu machen. Die anderen folgten uns früher als gedacht und kurz nach 5 stand unsere ganze Gruppe, eine Stunde vor geplanter Weiterreise, fertig auf dem Gang.
Es war behaglich in den kühlen Morgenstunden den Weg zu beginnen. Die Ruhe um einen bringt einen runter, die Temperatur ist überraschend kühl aber angenehm. Obwohl wir im Dunkeln losgelaufen waren war das Licht dämmrig und am fernen Horizont drängten sich vorsichtig die ersten Lichtstrahlen nach oben.
Wir liefen aus Rates heraus durch Feldwege und Maisfelder, manchmal wirkte die Fauna um uns, als befänden wir uns im Urwald. Ich genoss diesen Ausflug in eine andere Welt.
Während wir liefen wagte sich die Sonne immer weiter heraus und bot uns einen wundervollen gold schimmernden Ausblick auf ihren Aufgang. So liefen wir immer weiter der Sonne entgegen, genossen die aufkommende Wärme die sie mit sich brachte und den Schimmer den sie auf den Himmel legte.
Die Schmerzen in den Beinen waren erträglich, doch so langsam machten sich meine Füße bemerkbar. Nach ca. 7 km gönnten wir uns eine Frühstückspause um die ich sehr froh war und an km 14,7 in Barcelinhos gab es dann die erste Runde Cervezas für die Jungs, wobei ich mir stattdessen zur Abwechslung eine Weinschorle gönnte.
Trotz der schmerzenden Füße ging das Laufen besser als am Tag zuvor, man gewöhnt sich schneller als erwartet an die Belastung. Bei 21 km machten wir die letzte Pause, um uns auf den Aufstieg nach Tamel vorzubereiten. Und das waren harte letzte 5 km, die stetig bergauf gingen und das bei praller Sonne.
3,8 km vorm Ziel ging es mir noch weitgehend gut, doch die letzten 3 km waren ein Kampf. Eine kleine Verschnaufpause auf dem Weg war der größte Fehler den ich machen konnte, den das nahm mir komplett den Wind aus den Segeln, meine Beine wurden immer schwerer und die Mittagshitze machte es nicht leichter. Mein Wasser war leer und zu viert kämpften wir uns, gemeinsam mit 2 anderen Pilgerern, das letzte Stück zur Herberge.
Die Herberge selbst war noch geschlossen und davor hatten sich bereits einige Pilgerer versammelt, die darauf warteten Ihre Betten zu beziehen. Doch oben angekommen bekamen wir erst einmal Ein Bier von einem netten Mitarbeiter gebracht, der dort offensichtlich die letzten Vorbereitungen traf. Eine halbe Stunde später öffnete die Herberge und wir wurden unseren Betten zugeteilt, wonach das bekannte Prozedere vom Vortag folgte – Duschen und Handwäsche der Kleidung. Die Herberge war hell und sauber und in 2 Stockwerke aufgeteilt, hier gab es 12er-Zimmer.
Während der Wartezeit vor der Tür unterhielten wir uns mit anderen Pilgerern. Im Gegensatz zu der Herberge von Rates waren hier alle freundlich und offen, es gab ein Gefühl der Gemeinschaft, welches ich Tags zuvor vermisst hatte. Interessanterweise waren die meisten von ihnen Deutsche.
Und so sollte der Abend noch überraschend gesellig werden. Nach einer längeren Hungerperiode weil das Restaurant erst um 19 Uhr öffnete, in der wir uns alle vor der Herberge die Zeit vertrieben, Spiele spielten, Bier tranken, in der Sonne lagen, telefonierten, uns unterhielten, etc. ging es für uns alle, eine Gruppe von 14 Pilgerern aus Deutschland, Tschechien und Israel, zum Abendessen und einem bequemen Abendausklang in das Restaurant eine Straße tiefer.