Dritter Tag auf dem Weg – 24 km von Portela de Tamel nach Ponte de Lima.
In einem bin ich mir bereits jetzt schon sicher – die Nächte sind das Schlimmste. Von allem Drumherum abgesehen wachte ich bereits die zweite Nacht mit steifem Rücken und schmerzenden Gliedern auf. Doch nun kam noch der Muskelkater dazu.
Heute ging es wieder um 5 Uhr los und so langsam machte sich eine Grundmüdigkeit in der Gruppe breit. Auf dem Plan standen ca. 25 km und heute sollte es noch wärmer werden als am Vortag. Der kompletten Mittagssonne kann man nicht entgehen, auch wenn man so früh los läuft, aber einige Kilometer in der Frühe kann man ihr vorweg nehmen.
Die Aussage vom gestrigen Tag, dass man sich an das Laufen gewöhnt war etwas verfrüht. Die ersten Meilen des Morgens quälte ich mich vorwärts. Meine Füße fühlten sich unfassbar schwer an und meine Beine schmerzten an Oberschenkeln und Schienbeinen. Doch Irgendwann “läuft man sich ein” und ruck zuck waren die ersten 12 km geschafft. Die Hälfte der Strecke lag hinter uns und wir entschieden uns für eine Frühstückspause. Nach einer halben Stunde traf auch Michael – einer der Pilgerer aus unserer letzten Herberge – zur Pause ein, war aber bereits vor uns wieder auf dem Weg. Die nächsten beiden Zimmernachbarinnen aus Portela de Tamel trafen wir als wir weiterliefen.
Allgemein begegnete man an diesem Tag immer mehr Pilgerern, welche aus verschiedensten Unterkünften starteten.
Ich schätze so 10 km vor Ponte de Lima wurde unser Weg von portugiesischer Volksmusik begleitet, die laut über die Maisfelder tönte. Wir haben nicht herausgefunden, woher die Musik kam, doch die nächsten 5 Kilometer war sie ein stetiger Begleiter. Genauso wie die Mittagssonne, die sich immer höher am Himmel breit machte und auch an diesem Tag wieder die letzten 5 km stark erschwerte.
Sven und ich liefen an der Spitze, aber keiner redete mehr ein Wort. Ich weiß gar nicht wie mir das in den Sinn kam, aber ich begann irgendwann meine Schritte zu zählen, immer von 1 bis 8, ohne darüber nachzudenken. Mein Kopf war so mit dem zählen beschäftigt, dass alle Gedanken wie weg gefegt waren und tatsächlich lenkte mich das von den Schmerzen ab. Da waren nur ich, das Laufen und die Zahlen.
Mit müden Beinen und schmerzenden Füßen kamen wir in Ponte de Lima an, wo wir uns auf Anraten von Sven – der den Weg bereits gelaufen war – gegen die Herberge entschieden und in einer Jugendherberge abstiegen.
Ich stellte fest, dass man seine Ansprüche im Laufe des Weges sehr schnell herunter schraubt, wir zwei Mädels freuten uns wahnsinnig über unser Zweier-Zimmer mit eigener Dusche und Betten ohne Gummiüberzug. Es war nicht besonders sauber, das Zimmer lag im Keller mit einem wenig einladenden Ausblick auf einen schmalen Außengang, wir blickten gegen nackte Steinwand und auch der Boden war reiner Beton. Doch versprach das Zimmer eine angenehmere Nacht als die vorherigen Zwei.
Das übliche Prozedere nach Ankunft (Duschen und Wäsche waschen) brauche ich glaube ich nicht mehr zu beschreiben, es ist immer das Gleiche. 😀
Sonja und ich waren Hunger, doch wir erreichten die Jungs telefonisch nicht, also gingen wir auf eigene Faust los, um einen Supermarkt für Getränke und etwas Obst zu suchen. Kurz bevor wir schon aufgeben wollten entdeckten wir in einem Restaurant zwei Mädels die wir auch aus Tamel noch kannten. Wir setzten uns zu Ihnen und genossen zum Mittag eine köstliche Pizza.
Anschließend gingen wir zu Viert auf die Suche nach einem Supermarkt und wurden in der Innenstadt fündig – wobei es weniger ein Supermarkt als mehr ein kleiner Tante Emma Laden war, in dem die Snacks bis zur Decke aus Regalen quollen, das Obst außen lose in Kisten lag und der Fisch neben dem Eingang zum trocknen hing.
Wir kauften genug Wasser um unsere Flaschen zu fühlen, etwas Obst und süße Snacks für den Abend und machten uns auf den Rückweg.
Unterwegs hielt ein älterer Herr mit seinem Auto neben uns an, um uns eine Einkaufstasche für die schweren Flaschen zu geben. Wie waren uns einig, dass sowas in Deutschland niemals passieren würde.
Nach unserem Einkaufstrip setzten wir uns zum Ausspannen noch ans Wasser – an Ponte de Lima fließt die Lima. Irgendwann gesellten sich René und Chris noch zu uns und auch Michael fand seinen Weg zu unserer kleinen Gruppe.
Der Abend endete gesellig vor der Herberge, in dessen Verlauf wir erneut zu einem größeren Supermarkt liefen den die Jungs entdeckt hatten, in dem wir uns noch neue Getränke und Shampoo-Ersatz kauften.