Der heutige Morgen begann etwas später als die Letzten – der Wecker klingelte um kurz vor 6 und für halb 7 war die Abreise geplant.
Das Bett mit seiner normalen Matratze bewirkte Wunder – ich schlief fast die komplette Nacht durch. Es war etwas Klamm im Zimmer und mir war am Morgen eiskalt, zudem steckte mir trotz allem die Müdigkeit in den Knochen und am liebsten wäre ich liegen geblieben.
Es gab in der Jugendherberge Frühstücksbeutel die wir uns einpackten und schon ging es los Richtung Rubiães. Die Aussicht die sich am Rio Lima bot war grandios. Die Sonne ging langsam am Horizont auf und im Wasser spiegelten sich die ersten zaghaften Sonnenstrahlen und das Umland.
Ich lief am Wasser entlang um keinen Augenblick mit der Kamera zu verpassen und für kurze Zeit vergaß ich sogar meine schmerzenden Füße. Erst als ich zu den anderen aufschloss waren die Schmerzen wieder präsent – überrascht war ich über meinen Rücken. Die Schmerzen vom Vortag waren viel besser und so einen schweren Start wie am Tag zuvor war es nicht mehr.
Sven hatte uns schon seit Tagen vor dem Gang nach Rubiães gewarnt – der Aufstieg nach oben sollte hart werden und uns allen graute davor. Doch die ersten 10 km bis zu einer kleinen Bar waren flott gelaufen, wir überholten kontinuierlich andere Pilgerer, wobei man bei kurzen Pausen immer wieder auf die Leute traf die man in einer der Herbergen oder auf dem Weg kennen gelernt hatte. Meinen Beinen ging es bis dato weitgehend gut.
Nach einer halben Stunde Pause an der Bar ging es los bergauf und das buchstäblich über Stock und Stein. Der Weg wurde kontinuierlich steiler, führte immer weiter in den Wald und je höher es ging umso unebener wurde es.
Ich keuchte wie eine Verrückte den Berg hoch und konnte gar nicht glauben, wie schwer sich meine Beine nach einer Weile anfühlten. Es fühlte sich an als würden die Schuhe immer mehr an Gewicht zunehmen, die Puste wurde immer knapper und ich freute mich über jede Höhen-Etappe, die hinter mir lag.
Irgendwann lief ich ganz alleine, es war keiner mehr vor mir und keiner mehr hinter mir von unserer Gruppe, hin und wieder überholte ich ein paar andere Pilgerer, doch den Weg kämpfte jeder für sich nach oben.
In meinem Kopf hatte sich meine Zählung bis 8 meinem schwindenden Tempo angepasst und auch die Zählweise verringerte sich auf 4.
Das isolierte Laufen tat mir gut. Es war trotz der Anstrengung schön, einfach einmal die Einsamkeit zu genießen und es war ein gutes Gefühl es alleine zu schaffen.
An einem besonders harten Wegestück hörte ich Sven über mir lautstark fluchen, während ich mittlerweile meine Hände zu Hilfe nehmen musste, um “auf allen Vieren” an den großen Steinen nach oben zu klettern. Endlich oben angekommen waren wir alle ausnahmslos klitschnass geschwitzt. Mein Kopf war knallrot, meine Haare klebten mir am Kopf und ich hatte vor lauter Wärme mittlerweile mein T-Shirt ausgezogen und lief nur noch in meinem Sport-BH.
Die schlimmen Höhenmeter endeten an einer Plattform mit einem sagenhaften Ausblick. Hier oben der trafen wir wieder auf eine Reihe bekannter Gesichter, die genauso schnauften wie wir.
Sonja die seit dem gestrigen Abend Probleme mit ihrem Knie hatte schlug sich wacker nach oben. Doch es folgten noch einmal 5 km Wege die zum Teil sehr steil abgingen, was ihr starke Probleme bereitete.
War der Aufstieg für mich ein Kampf gewesen, hatte ich plötzlich ab hier einen richtigen Lauf und legte ein Tempo vor, mit dem ich alle anderen abhängte. Nach einer ganzen Weile kam ich an eine Kreuzung an der ich eine kleine Ewigkeit warten musste, bis Sven mich aufgeholt hatte, da ich nicht wusste in welche Richtung es weiter gehen sollte. Wir zogen die letzten Meilen gemeinsam durch und obwohl es eine anstrengende Strecke gewesen war ging es meinen Beinen und Füßen verhältnismäßig gut. Natürlich taten sie weh und waren schwer, aber mit den Schmerzen von vor 2 Tagen nicht zu vergleichen.
Nachdem wir anderen schon eine Weile am Ziel saßen, kam irgendwann auch Sonja mit Maria aus der Herberge an und heute die ersten Tränen. Sonja hatte große Schmerzen, doch Maria war Krankenschwester und hatte vorausschauend Kinesotape mitgebracht und Sonja das Knie getaped. Nach einer Pause in der wir alle gemeinsam auf die Öffnung der Herberge in der gegenüber liegenden Bar warteten, natürlich bei kaltem Bier, konnte sich Sonja etwas erholen.
Ein kurzer Nebenpunkt: Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber meine Füße sind bis dato blasenfrei. :))
In der Herberge gab es eine gute und eine schlechte Nachricht, die Herberge hatte nur ein einziges großes Zimmer mit 28 Betten, doch dafür es gab eine Waschmaschine! Und so sammelten wir alle unsere Wäsche um für 2,00 € eine Maschine laufen zu lassen und wir mussten nur im Anschluss die Kleidung zum Trocknen aufhängen.
Der Abend endete wieder gesellig in der schon gewohnten Runde mit ein paar der anderen Pilgerer in der Bar gegenüber der Herberge. Zwischenzeitlich genehmigten wir uns in einem Restaurant ein kleines Abendessen. Die Bar schloss irgendwann, doch wir waren in guter Stimmung und unsere Gruppe setzte sich bei einem immer kühler werdenden Sonnenuntergang auf eine wundervoll grüne Wiese vor besagter Bar.