Heute lagen nur 15 -17 km vor uns also gönnten wir es uns, bis 7 Uhr zu schlafen. Die Nacht war trotz aller Bequemlichkeiten durch das Konzert in der Nähe und die an Gästen prall gefüllten Bars vor der Tür unruhig gewesen. Als alle fertig waren, holten wir Felix und Jan bei ihrer Wohnung ab und es ging los nach Briallos.
Hatte ich tags zuvor gedacht meine Grenze erreicht zu haben, ging es mir heute noch schlechter. Bereits auf den ersten Kilometern fiel ich immer weiter zurück, doch versuchte ich die Schmerzen die sich in meinem rechten Schienbein breit machten zu ignorieren. Ich kann nicht einmal erklären, was das für Schmerzen sind. Doch sie waren fast unerträglich.
Ich kämpfte gerade mit aller Kraft dagegen an, nicht loszuheulen, als Jan zurückfiel, um nach mir zu sehen.
Er ist ein guter Mensch und sorgt sich sehr um die, die um ihn sind. So etwas habe ich in dem Maße nur auf dem Camiño erlebt, wie eigentlich Fremde sich umeinander sorgen und bemühen.
Normalerweise ist er mit Abstand der schnellste Läufer von uns, doch drosselte er sein Tempo und lief mit mir weiter. Er spornte mich an, dass ich nicht Gefahr lief aufzugeben und während ich versuchte die Schmerzen weg zu atmen und die Tränen unter zu schlucken ging es wieder quer durch den Wald. Es brach mir fast das Herz, nicht überall stehen zu bleiben und Fotos zu machen, doch jedes kleine Stehenbleiben führte zu weiteren Schmerzen. Also lief und lief ich, obwohl selbst die zweite Schmerztablette nicht half.
Mittlerweile stolperte ich über jeden Stein. Meine Füße wurden immer schwerer, doch die Unterhaltung mit Jan lenkte mich ab und er nahm für kurze Zeit meinen Rucksack ab, dass ich weniger Gewicht zu tragen hatte. Irgendwann hatten wir Sonja aufgeholt und liefen zu Dritt in einer Bar ein, wo die anderen bereits zur Pause Halt gemacht hatten.
In der Pause behandelte ich mein Bein mit Arnika Salbe und als es weiter ging waren die Schmerzen aushaltbarer. Es ging noch mal 7 KM durch die brütende Hitze an Mais- und Weinfeldern entlang, mittlerweile lief ich mit Chris. Jan schloss sich uns irgendwann wieder an, weil er ebenfalls seine Kamera mitgebracht hatte und durch das Fotografieren zurück fiel. Mit einer kurzen Pause in einer kleinen Bar ging es in den Endspurt, wir schätzen dass wir in Fünfzehn Minuten ankommen sollten. Doch für mich hatte sich eine viertel Stunde noch nie so lange angehört. Wir kämpften uns durch und kamen endlich in Briallos an, wo der Rest unserer Gruppe schon wartete, um gemeinsam einen kleinen Abstecher in den kleinen Supermarkt zu machen – eigentlich nur ein Privathaus mit Klingel, in dem eine ältere Frau in einem Raum Regale mit allerlei Snacks, Getränken und Drogerieartikeln aufgestellt hatte.
Wir hatten vor heute selbst in der Unterkunft zu kochen und kauften Zutaten, sowie Wein und Bier, um uns einen gemütlichen Abend vorzubereiten. Caro und Astrit warteten bereits in der Herberge auf uns.
Die Herberge war klein und sehr ruhig, an dieser Etappe machten nicht so viele Pilgerer Halt und mit ein paar Ausnahmen hatten wir die Herberge eigentlich für uns. Mit einem großen Garten und einer kleinen Küche zum Garten hin wirkte es richtig wohnlich.
Es war nicht luxuriös aber sehr gemütlich und Sonja und ich quartierten uns auf Svens Rat hin in dem Zweier-Zimmer im Erdgeschoss ein, das eigentlich für Rollstuhlfahrer gedacht ist. Bis zum Abend hielt ich mich bereit, eventuell nach oben zu ziehen, doch irgendwann war es oben voll, kein Rollstuhlfahrer hatte die Herberge angefahren und wir konnten im Zimmer bleiben. Ich freute mich, mal nicht in einem Stockbett schlafen zu müssen.
Die Müdigkeit war mittlerweile allgegenwärtig, ich weiß nicht ob ich jemals so müde gewesen war. Darum hielt mich heute etwas bei den allgemeinen Gesprächen zurück.
Als alle geduscht hatten und die Wäsche gemacht war (Waschmaschine hurra 🙂 ) wurde gekocht – Spaghetti mit Tomatensauce und Chorizo. Die Tische wurden aus dem Aufenthaltsraum geholt und mit Musik, gutem Essen und Bier/Wein machten wir uns einen gemütlichen Abend.
Ein kleines Highlight des Abends war ein Kirchenchor, der über den Abend in einem Raum der Herberge probten. Wir konnten ihrer Probe beim Kartenspielen lauschen. Als sie gingen applaudieren wir, die älteren Leutchen waren glücklich und wir hatten unseren Spaß.
Auf dem Grundstück der Herberge war eine kleine Kneipe in der wir irgendwann noch einmal zum Abschluss einkehrten, Einheimische des kleinen Ortes genehmigten sich hier ebenfalls ein paar Bierchen. Hier beendeten wir einen ruhigen aber schönen Abend.